VDP Kurznachrichten
Leitsätze StGB (23.06.2020)
von Bernd Brutscher
Erkennbarkeit des bedeutenden Schadens nach § 69 Abs. 2 StGB i.V.m. § 142 StGB
§§ 69 Abs. 2, 142 Abs. 1 StGB
Maßgeblich für die subjektive Voraussetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist die Erkennbarkeit des bedeutenden Schadens für den Beschuldigten zum Zeitpunkt der Tat. Die Einschätzung des ersten Polizeibeamten vor Ort, der im entschiedenen Fall den Schaden auf etwa 500,-- € geschätzt hatte, ist hierfür ein wichtiges Indiz. Polizeibeamte, die Verkehrsunfallanzeigen aufnehmen, verfügen berufsbedingt über ein besonderes Erfahrungswissen für die Bewertung der Kosten der Reparatur eines beschädigten Fahrzeugs.
Dies hat zur Folge, dass die Einschätzung der Reparaturkosten durch den Polizeibeamten vor Ort i.d.R. ein wichtiges Indiz dafür ist, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat subjektiv erkennen konnte, ob ein bedeutender Schaden entstanden war. Allein aus der nachträglichen Feststellung eines höheren Schadens ergibt sich daher nicht, dass dieser bei laienhafter Betrachtung ursprünglich erkennbar sein konnte. Nur ausnahmsweise, wenn die Einschätzung der Reparaturkosten durch den Polizeibeamten vor Ort völlig abwegig ist, weil sie im krassen, auch für den technischen Laien erkennbaren Widerspruch zu dem Schadensbild steht, entfaltet die Einschätzung keine Indizwirkung.
LG Berlin, Beschl. v. 1.4.2019, 534 Qs 23/19, veröffentlicht in VRS 135, 266
Erfordernis eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt
§ 69 StGB, § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG; §§ 11 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 FeV
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen.
OVG Saarland, Urt. v. 4.7.2018, 1 A 405/17, veröffentlicht in NZV 2018, 535
Widerlegung der Regelvermutung bei Entziehung der Fahrerlaubnis
§§ 69 Abs. 1 und 2, 69a Abs. 1, 142 StGB
Hat eine Angeklagte vor und nach einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen, liegt die Tat bereits längere Zeit zurück (hier: mehr als 1 Jahr und 7 Monate) und befand sie sich zur Tatzeit in einer psychischen Ausnahmesituation, können dies Umstände sein, die geeignet sind, die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu widerlegen.
OLG Hamburg, Beschl. v. 27.7.2018, 2 Rev 50/18, veröffentlicht in NZV 2019, 428
Entfernen vom Unfallort nach letzter feststellungsberechtigter Person
§ 142 StGB
Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der letzten feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat.
BGH, Beschl. v. 11.4.2018, 4 StR 583/17, veröffentlicht in NJW 2018, 2341